Schon während meiner Studienzeit
bemühte ich mich ein gigantisches Putzfrauenbild zu malen. Von Bemühung muss auch wirklich die Rede sein, denn es war der reinste Krampf. Aus rätselhaften Gründen hatte sich damals ein Anspruch an Genialität in meinem Kopf eingenistet, dem ich nicht gerecht werden konnte. Als dann mein damaliger Kunstprofessor meinte, das Motiv sei ungeeignet, wahrscheinlich für ein monumentales Werk oder so, habe ich diese Idee fallenlassen.
Damals was der Sozialistische Realismus noch nicht komplett der Vergessenheit anheimgefallen. Möglicherweise auch darum schien das Motiv der einfachen Arbeit zu dieser Zeit nicht umsetzbar.
Natürlich wurde der Sozialistische Realismus zu keiner Zeit dem Begriff „Realismus“ gerecht, da es nie um die Darstellung der Realität sondern um die ideologische Verklärung einer Arbeitswelt ging, die in der dargestellten Weise gar nicht existiert hat.
„Indem der Realismus das Seiende und das Sein-Sollende unterscheidet, kann er das Unvollkommene erkennen und Wege akzeptieren oder suchen, sich damit zurechtzufinden.“ sagt Wikipedia. Beim Sozialistische Realismus wurden Seiendes und das Sein-Sollende einfach gleichgesetzt.
Das Problem dabei ist darum nicht mal, dass die dargestellte Welt nie existierte, sondern dass der Wunsch zur Wirklichkeit erklärt wurde, bevor er umgesetzt war. Tätigkeiten zu erhöhen ist in der Malerei durchaus legitim, nur der Grund für diese Verklärung darf nicht ideologisch von einer 3ten Partei vorbestimmt sein. Diese Fremdbestimmtheit ist in den Bildern dieser Zeit spürbar, wodurch sie eine unangenehme Atmosphäre der Lüge und des Sich-Verstellen-Müssens verströmen. Dadurch wird die Kunst selber zur Arbeit, fremdbestimmt und zweckdienlich.
„Die Ästhetik des Politischen war Kitsch, wann immer die Drohgebärde ins Innige transformiert und Politik nicht durch Kunst, sondern Kunst durch Politik legitimiert wurde. Ideologische Kunst, die faschistische, nationalsozialistische, sozialistische, war kitschig, wo sie nicht drohen wollte (die Architekturen wollten es): sie hatte nur diese beiden Möglichkeiten“ (aus ‚Kitsch – Signatur der Moderne‘, Claus-Artur Scheier, Philosoph)
Leider wird umgekehrt dadurch nicht die Arbeit zur Kunst.
Eigenartigerweise gibt es diesen Effekt nicht bei den eigentlich ebenso fremdbestimmten Malern des Mittelalters und der Renaissance ein. Denken wir an die Sixtinische Kapelle oder und viele weitere Beispiele wo Fresken in Kirchen und Kathedralen mit unglaublichen Bildern versehen sind, die nicht an dieser Entfremdung kranken, obwohl auch diese Künstler ideologischen Vorgaben ausgesetzt waren. Vielleicht war es einfacher, eine komplett nicht-existente Wirklichkeit nach Vorgaben zu entwerfen, und diese mit Teilen der eigenen Wirklichkeit zu versehen (zb. Michelangelos Selbstportrait in der abgezogenen Haut des Bartholomäus) als eine wahrgenommene Realität mit einer erwünschten Realität zu vertauschen.
Möglicherweise unterscheiden sich meine Gründe noch nicht einmal sehr von denen des Sozialistischen Realismus, einfache Berufe auf ein Podest zu heben und zu heroisieren. So erscheint es auch mir absolut gerechtfertigt, dem Berufsstand der Putzfrauen Heldinnen-Status zu verleihen. Nur bin ich durch keinerlei System dazu gezwungen sondern habe selbst das Bedürfnis, der jahrhundertelangen Prinzessinnen-Schneewittchen- Schöne-reiche-Frauen-Idealisierung etwas entgegen zusetzten. Und ich bin nicht unbedingt dazu verpflichtet, die Wirklichkeit wiederzugeben.
Es ist eine Verklärung gefragt, die nicht auf das schöne Aussehen und Fruchtbarkeit einer Frau zielt, sondern auf die Verklärung der gewöhnlichen, nicht sehr bewundernswerten Tätigkeit, die weder Ruhm noch Geld einbringt. Unter esoterischen Gesichtspunkten, denen ich mich durchaus verbunden fühle, sehe ich so eine Putzfrau mit ganz verschiedenen Funktionen, die über den materiellen Mehrwert, den sie erwirtschaften kann, hinausgehen.
Natürlich trifft dies auch auf andere Berufe, Lebensumstände, Abläufe des täglichen Lebens zu. Eigentlich auf das menschliche Dasein eben. Das Drama, Unheil und der Tod lauern unerwartet im Banalen, unter Tischen, Betten und in Badewannen. Aber „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ sagt Hölderlin bekanntlich.
Eine Putzfrau beschäftigt sich naturgemäß mit der Materie und ihrer Reinigung. Die regelmäßige Beseitigung von Unrat, Schmutz und unerwünschten Substanzen erlaubt es uns erst, banale materielle Fragen der Existenz auszublenden und uns „höheren“ zivilisatorischen Errungenschaften zuzuwenden. Berufe, die vor Allem der Beseitigung unerwünschter Materie dienen, interessieren mich darum mehr, weil sie die Widersprüche unserer Zivilisation in sich tragen und weil sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Berufes nicht stellt. Irgendwer muss halt saubermachen.
Für mich persönlich verkörpert eine Putzfrau außerdem das Prinzip des puren Pragmatismus. Damit bildet sie den direkten Gegenpol zu dem Prinzip von Spielerei, Kunst, Schlampigkeit und Leichtsinn.
Eine Vereinigung und Versöhnung dieser entgegengesetzten Prinzipien zu erreichen wäre heilsam.
Außerdem steht fest: solange Putzfrauen nicht der gleiche Respekt und Bewunderung wie dem CEO eines großen Unternehmens entgegengebracht werden kann, läuft in unseren Gesellschaften etwas grundlegend verkehrt.
Als ich das Putzfrauen-Motiv nach über 30 Jahren erneut aufgegriffen habe, war es problemlos zu meiner vollen Zufriedenheit realisierbar. Mein Nachholbedürfnis war so groß, dass gleich eine Reihe daraus geworden ist >> Putzfrauen-Serie
Dann, nachdem die Reihe eigentlich abgeschlossen war, kam mir noch die Idee, ein Putzfrauenbrunnen-Modell zu machen. Zum einen mag ich das Plätschern von Brunnen, zum anderen gefällt es mir, auf eine unmonumentale Weise diese gering geschätzten Frauen auf einen Sockel zu heben.